Digitale Produkte sind immaterielle Güter, man kann sie nicht anfassen, aber viele nutzen sie.

Im privaten Alltag nehmen wir oft nicht mehr aktiv wahr, dass wir ein digitales Produkt nutzen, beispielsweise bei Musikvideos oder auch E-Books. In anderen Bereichen sind digitale Produkte nicht so alltäglich.

In der produzierenden Industrie beispielsweise sollen digitale Produkte die Maschine – meist das Hauptprodukt eines Unternehmens – attraktiver machen und den angebotenen Service unterstützen.

Sind digitale Produkte in Branchen wie IT oder auch der Unterhaltungsindustrie ohne große Herausforderungen zu verkaufen, stellen sie Maschinenhersteller oder anderen Anbieter der produzierenden Industrie vor größere Herausforderungen, weil ihre Funktionsweise und vor allem ihr Mehrwert erklärungsbedürftig sind. Viele Anbieter scheitern schon daran, ihr eigenes Vertriebsteam für den Verkauf von digitalen Produkten fit zu machen. Die Herausforderung wird nochmal größer, wenn der Kontakt zum Endkunden nicht besteht, weil über ein Vertriebsnetzwerk Produkte verkauft werden. In diesem Fall müssen die Vertriebspartner das digitale Produkt verstehen und verkaufen können, was leichter gesagt als getan ist.

Ein weiteres Hindernis besteht zudem darin, dass die digitalen Produkte, die den vorhandenen Service ergänzen sollen, die Daten der Kunden benötigen. Dieser scheut sich aber, sie  an den Anbieter herauszugeben. Hinzukommt, dass der Mehrwert des digitalen Produktes oftmals nicht offensichtlich und auf den ersten Blick erkennbar ist. Der Vertriebspartner fungiert zwar als Mittler zwischen Endkunden und produzierenden Unterhemen, muss aber auch den Datenaustausch und somit den Kontakt zwischen Endkunden und Produzent dulden bzw. sogar forcieren. Die Sorge, dass der Kunden über kurz oder lang den Vertriebspartner umgeht und direkt beim Produzenten kauft und somit dem Partner Einnahmen verloren gehen ist verständlich .

Mehrwerte schaffen – für alle Beteiligten

Herausforderungen und Hindernisse auf dem Weg zu einem erfolgreichen mehrstufigen Vertrieb digitaler Produkte sind also nicht von der Hand zu weisen. Fakt ist: wenn digitale Produkte über einen mehrstufigen Vertriebskanal verkauft werden, müssen alle Beteiligten, sowohl Partner als auch Endkunde, davon profitieren. Dieses Nutzenversprechen muss von Anfang an festgelegt werden und konsequent verfolgt und kommuniziert werden. Um eine effektive Verkaufsstrategie zu entwickeln, sollte der Vertrieb außerdem zunächst nur über ausgewählte Partner erfolgen. So können die Anbieter sicherstellen, dass die Partner das notwendige Know-how haben und die Kunden das Nutzenversprechen verstehen.

Leitfaden mehrstufiger Vertrieb digitaler Produkte

Um das komplexe Thema zu strukturieren, wurde im Rahmen des Projektes „Mehrstufiger Vertrieb digitaler Produkte“ im Zeitraum von 2021 bis 2023 ein Leitfaden entwickelt.

Dieser basiert auf den Ergebnissen von 29 Interviews mit führenden Unternehmensvertretern aus der der Branche sowie der inhaltlichen Unterstützung eines Industriekonsortiums bestehend aus Henkel AG & Co. KGaA, Kubota Holdings Europe B.V., Kuntze Instruments GmbH, Phoenix Contact Smart Business GmbH und der Schaeffler Monitoring Services GmbH.

3 Phasen des mehrstufigen Vertriebs

Der Leitfaden gliedert sich in drei Phasen des mehrstufigen Vertriebs, die Unternehmen durchlaufen sollten, um eine erfolgreiche Vertriebsstruktur für ihre digitalen Produkte zu entwickeln und zu realisieren.

  • Phase I – Validierung des digitalen Produkts
  • Phase II – Integration von Partnern
  • Phase III – Globale Markteinführung

Im Folgenden werden wir die die drei Phasen kurz skizzieren.

Phase I – Validierung des digitalen Produkts

Die erste Phase umfasst die digitale Strategie des Anbieters und die Definition des Mehrwertes, den das digitale Produkt bietet. Innerhalb des Unternehmens sollte es ein einheitliches und gemeinsames Verständnis über die Entwicklung, Realisierung und strategische Vermarktung im Rahmen der Digitalisierung und der Entwicklung digitaler Produkte geben.

Vor dem Verkauf des digitalen Produkts muss zudem sichergestellt werden, dass dieses einen Mehrwert für die relevanten Kunden bietet, um deren Kaufbereitschaft zu erhöhen. Dafür ist das Feedback des Kunden unerlässlich. In Phase I muss mit ausgewählten Kunden direkt in Kontakt getreten werden, um das digitale Produkt zu testen und Feedback zu erhalten. Ebenfalls können erste Erfahrungen und Erfolgsgeschichten gesammelt werden, die später das Marketing unterstützen.

Phase II – Integration der Partner

Ist die Validierung des digitalen Produkts und erste Testläufe im Direktvertrieb abgeschlossen, können Partner in den Verkaufsprozess integriert werden. Eine Pilotphase für den mehrstufigen Vertrieb mit ausgewählten Partnern ist hier empfehlenswert. Durch die Priorisierung von Märkten und Partnern können Unternehmen optimale Bedingungen schaffen, um erste Erfahrungen zu sammeln, die die Grundlage für die weitere Skalierung bilden.

Die Integration von Vertriebspartnern ist ein komplexer Vorgang. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert spezifischer Anforderungen auf Basis einer umfassenden Analyse des Partners. Dazu gehört aber auch, ein Nutzenversprechen des digitalen Produkts zu formulieren, dass auch den Partner anspricht und seinen Nutzen klar darlegt. Nur wenn der Partner den Wert des digitalen Produkts für sich und für den Kunden versteht, wird er bereit sein, es an Kunden zu empfehlen und zu verkaufen.

Phase III – Globale Markteinführung

Die Integration erster Partner können Anbieter zu wichtigen Erkenntnissen und Best Practices gelangen, die für die weitere Markteinführung von Bedeutung sind. Auf Basis dieser können die weiteren Partner eingebunden werden.  Strategische Kommunikations- und Kontrollmaßnahmen sollten den Integrationsprozess begleiten, um den langfristigen Erfolg zu gewährleisten.

Allerdings können sich Partner und Märkte vom Pilotprojekt unterscheiden, sodass je nach Region, Geschäftsmodell oder digitalem Reifegrad des Partners Anpassungen erforderlich sind. Darüber hinaus unterscheiden sich die Vertriebspartner in ihrem Interesse an digitalen Produkten und ihrer Motivationen. Dementsprechend sind spezifische Incentivierungsstrategien zwischen Hersteller und Partner, aber auch zwischen Kunde und Partner, sinnvoll.

Schon die kurze Zusammenfassung der drei Phasen zeigt, wie komplex die Planung und Umsetzung einer mehrstufigen Vertriebsstrategie ist. Je nach Größe oder Internationalisierung und Komplexität des digitalen Produktes sind deutlich mehr Prozesse, organisatorische Abläufe sowie Planungs- Abstimmungs- und Monitoringaufwand zu erwarten. Damit erhöhen sich auch die Herausforderungen, auf die wir Eingangs bereits eingegangen sind.

Die komplette Management Summary, sowie die detaillierten Ergebnisse des Projekts sind Mitgliedern des Service Performance Center exklusiv zugänglich.